Lehren aus dem Banken-Beben: Bei Kasino-Kapitalismus hilft kein Rettungsschirm unbegrenzt
Der Kollaps von drei Banken in den USA lässt die ganze Branche beben. Politiker und Regulierer betonen, dass die Einlagen sicher sind. Wie diese Vertrauenskrise entstand und warum Sparer die Einlagensicherung nicht überbewerten sollten, erfahren Sie hier.
Die Bilder ähneln sich. Anfang Oktober 2010 traten die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Peer Steinbrück gemeinsam vor die Presse und verkündeten: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise gab die Bundesregierung eine Garantie für Spareinlagen. Fast 13 Jahre später trat der amtierende US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus ans Rednerpult und versprach die Einlagensicherheit. Denn wieder drohte in den USA ein Bank Run (Schaltersturm), nachdem drei mittelständische Banken kollabierten und von der Aufsicht geschlossen wurden.
Bidens Vorgänger Donald Trump hatte in seiner Amtszeit die Bankenregulierung wieder liberalisiert. Ein schwerwiegender Fehler, denn die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Bereits Thomas Jefferson (3. Präsident der USA) stellte im Jahr 1809 in einer Rede fest „Ich bin davon überzeugt, dass die Bankinstitute eine größere Bedrohung für unsere freiheitliche Ordnung darstellen als stehende Armeen …“.
Das Problem der Fristentransformation
Eine wesentliche Aufgabe der Banken besteht in der Fristentransformation. Dabei werden die Ansprüche der Kreditnehmer auf der einen und der Sparer auf der anderen Seite in Einklang gebracht. In dem Zusammenhang werden beispielsweise kurzfristige Geldanlagen formal in langfristige Darlehen umgewandelt. Dieses wurde der Silicon Valley Bank (SVB) zum Verhängnis. Denn die Bank war sehr erfolgreich und hatte in den letzten Jahren einen strammen Wachstumskurs hingelegt. Die SVB, gegründet 1983, galt als Hausbank der US-Technologiebranche. Nach einer Analyse von Bloomberg war rund die Hälfte aller US-Startups Kunde bei dem kalifornischen Institut. Für Einlagen zahlte die Bank gute Zinsen und viele Startups hatten die Mittel, die sie von ihren Investoren eingesammelt hatten, bei der Bank eingezahlt, um sie nach Bedarf abrufen zu können. Die Einlagen der Kunden hatte die Bank in US-Staatsanleihen und Pfandbriefe angelegt. Die sichersten Wertpapiere der Welt.
Über den Experten
Markus Richert, CFP, ist Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln.
Risiko Zinswende
Im letzten Jahr stieg dann die Inflation auch in den USA überraschend stark an. Die Notenbank musste reagieren und erhöhte die Leitzinsen in Rekordzeit. Damit hatte zu Beginn des Jahres 2022 niemand gerechnet. Der plötzliche und massive Zinsanstieg hatte jedoch fatale Auswirkungen auf den Wert der Anleihen in den Beständen der SVB. Da sie niedrigere Renditen bieten als neu ausgegebene Papiere, verloren sie an Wert. Plötzlich waren die Anleihen in ihrem Bestand 15 Milliarden Dollar weniger wert, als die Bank in ihren Berichten auswies. Eigentlich kein Problem, denn es handelt sich um einen Buchverlust. Solange keine Anleihen veräußert werden, wird daraus kein reales Minus. Allerdings war die Bank gezwungen, Anleihen zu veräußern und Verluste zu realisieren, da immer mehr Kunden ihre Einlagen von der Bank abzogen.
Aus Buchverlust wurde ein realer Verlust
Der Grund liegt auch in den Zinserhöhungen durch die amerikanische Notenbank. Denn dadurch wurden die Finanzierungskosten für die Unternehmen teuer. Es war für Startups günstiger, auf die eigenen Mittel zurückzugreifen. Plötzlich stand bei der Bank ein realer Verlust von 1,8 Milliarden Dollar in den Büchern. Diesen versuchte man über eine Kapitalerhöhung und Ausgabe von neuen Aktien auszugleichen. Das war offensichtlich der Anfang vom Ende, denn immer mehr Kunden verloren das Vertrauen in die Bank und in die Sicherheit ihrer Einlagen. Der Aktienkurs der Bank geriet unter Druck und letztlich reagierte die Aufsicht und die Regulierer schlossen die Bank. Kurz vorher hatte die Aufsicht bereits die Silvergate Bank geschlossen. Dabei handelte es sich um die Hausbank der US-Kryptobranche. Später erwischte es mit der New Yorker Signature Bank noch eine dritte Bank.
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Vertrauenskrise und Kasino-Kapitalismus
Das amerikanische Bankensystem befindet sich in einer schweren Vertrauenskrise. Vertrauen ist jedoch der wesentliche Baustein in einem funktionierenden Bankensystem. Die Gefahr einer Kettenreaktion, die immer mehr Banken in Schieflage bringt, stand im Raum. Auch wenn die Aufsicht sofort reagierte und der Staat die Kundengelder garantierte, führten die Schließungen zu großen Verwerfungen an den globalen Börsen. Glücklicherweise hat die Politik aus den Fehlern der ersten Bankenkrise gelernt und sofort Liquidität zur Verfügung gestellt.
Vor allem die Pleite der Silicon Valley Bank ist brisant. Das Institut hatte Ende 2022 Vermögenswerte von 209 Milliarden Dollar in der Bilanz und war damit die Nummer 16 der US-Bankenbranche. Fürs erste scheinen die Bemühungen der Politik und der Zentralbank die Lage zu beruhigen. Die grundlegenden Probleme im Bankensystem, vor allem die niedrige Eigenkapitalausstattung der Institute und offensive Bilanzierungsregeln, bleiben jedoch bestehen. Kritiker wie der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn sprechen in diesem Zusammenhang vom Kasino-Kapitalismus.
Rettungsschirme nicht überbewerten
„Geld ist erst dann wirklich sicher, wenn es nicht mehr auf der Bank liegt“. Diesen Satz sollten Sparer bei ihren Anlageentscheidungen immer berücksichtigen. Tages- und Festgelder stehen im Risiko. Innerhalb der Europäischen Union sind diese bis zu 100.000 Euro pro Kunde und Bank abgesichert. Allerdings kann kein Rettungsschirm der Welt einen kollektiven Run auf die Bankkonten auffangen.
Vor allem die Einlagensicherung sollte nicht überbewertet werden. Für Kritiker ist sie nur ein Feigenblatt. „Die Einlagensicherung ist wie ein Feuerlöscher. Sie ist der willkommene Retter, wenn der Aschenbecher brennt, aber unbrauchbar, wenn das ganze Haus in Flammen steht.“ Nicht betroffen von einer Bankenpleite sind dagegen die Wertpapierdepots bei einer Bank. Denn diese gelten als Sondervermögen und gehören immer dem Anleger. Dort ist das Vermögen bei ausreichend langen Anlagehorizont am besten aufgehoben!
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Author: Erika Howe
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